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Qualitätsmängel – nur bei Boeing?

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Autor: Thomas Tauchnitz

Dr.-Ing. Thomas Tauchnitz, Chefredakteur Industry des atp magazins, erklärt, was wir von den Vorfällen bei Boeing lernen können.

Ein spektakulärer Unfall
Der Vorfall stand in allen Zeitungen: Am 5. Januar fiel bei einer erst vier Monate alten Boeing 737 Max 9 sechs Minuten nach dem Start ein Rumpfteil nach außen. Es gab wohl nur deshalb keine größere Katastrophe, weil die Plätze neben dem Rumpfteil zufällig nicht besetzt und alle Fluggäste noch angeschnallt waren. Außerdem war der Außendruck in der geringen Höhe so kurz nach dem Start noch relativ hoch. Das herausgefallene Teil war ein „Notausstiegsverschluss“ und befand sich an einer Stelle im Flugzeugrumpf, an der bei Maschinen mit mehr Sitzplätzen ein zusätzlicher Notausstieg vorgesehen ist.
Seit diesem Vorfall steht Boeing wegen vieler kleinerer Ereignisse ständig in der Zeitung, frei nach dem Motto „Schon wieder eine Panne mit Boeing“. Mal fällt nach dem Start ein Rad ab, mal bricht bei der Landung ein Fahrwerk ein und die Maschine kippt bei der Landung zur Seite. Und mal löst ein nicht näher bezeichnetes „technisches Problem“ einen kurzzeitigen Sturzflug mit mindestens 50 Verletzten aus.

Alles Einzelfälle?
Mich erinnert das an die Berichterstattung nach dem Störfall am Rosenmontag 1993 bei der ehemaligen Hoechst AG, bei dem 11 Tonnen eines chemischen Gemischs als „gelber Regen“ in der Nachbarschaft herunterfiel. In der Folge wurden weitere Ereignisse bekannt, so dass die Öffentlichkeit auf das Stichwort „Hoechst“ allergisch reagierte. Am Ende war es auch ein „neuer Störfall bei Hoechst“, als bei einem Bagger im Hafenbereich ein Hydraulikschlauch platzte und etwas Hydrauliköl austrat. Und schließlich wurde – sicher nicht nur wegen dieser Ereignisse – die Hoechst AG zerlegt.
Die Ursache des abgefallenen Rumpfteils ist inzwischen bekannt: Alle vier Sicherungsschrauben an den Führungsschienen des Rumpfteils fehlten. Dadurch war der Notausstiegsverschluss nicht fixiert und ruckelte sich nach und nach aus der Halterung heraus.
Die große Frage, die Boeing jetzt beantworten muss, ist, ob dieser Fehler ein Einzelfall war oder ob systematische Mängel in der Qualität vorliegen.
Klar ist: Fehler können immer vorkommen. Diese Tatsache wird zwar immer wieder zur Seite gewischt nach dem Motto „das darf nicht passieren“, doch das geht an der Lebenswirklichkeit vorbei.

„Selbst bei dreifacher Prüfung kann es passieren, dass drei Personen einen Fehler übersehen. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit dafür sehr klein.“

Häufung von Fehlern ist kritisch
Für systematische Mängel spricht eine Häufung von Fehlern. Genau das stellte die US-Behörde FAA aufgrund älterer Ereignisse fest und verlängerte das spontan erteilte Flugverbot für diesen Flugzeugtyp, bis zusätzliche Prüfungen durchgeführt und Inspektionsprozesse genehmigt wurden. Boeing hat Sofortmaßnahmen durchgeführt wie z. B. zusätzliche Qualitätsprüfungen und Schulungen. Außerdem wurde der Leiter des 737-Max-Programms mit sofortiger Wirkung entlassen.
Zweifel an den Systemen
Doch noch schwerwiegender als eine Häufung von Fehlern sind systematische Mängel in den Prozessen. So fand die FAA keinen einheitlichen und klaren Weg für Mitarbeitende, über Qualitätsmängel zu berichten. Die Konsequenz: Das Personal meidet dann die formellen Verfahren lieber. Auch gibt es Zweifel, ob Mitarbeitende für interne Meldungen über Qualitätsprobleme negative Konsequenzen befürchten müssen. Die Verfahren und Schulungen für das Sicherheitsmanagement sind komplex und ändern sich ständig. Hinzu kommt, dass Unterlagen für die Montage nicht übergeben werden konnten – denn offensichtlich gab es sie nicht.
Und damit verlassen wir den Bereich der Luftfahrtindustrie: uneinheitliche und unklare Wege, das Umgehen formeller Wege, komplexe und ständig ändernde Abläufe und die Angst vor Strafe für „Nestbeschmutzer“ – das kennen wir doch auch aus unseren Branchen.

Lassen Sie uns deshalb die Boeing-Vorfälle nutzen, um darüber nachzudenken, ob wir in unseren Unternehmen wirklich eine gute Fehler- und Verbesserungskultur haben!

Dr.-Ing. Thomas Tauchnitz
Chefredakteur Industry atp magazin
atp@TAUTOMATION.consulting

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