Generic filters
Exact matches only
Search in title
Search in excerpt
Search in content
FS Logoi

Responsive Hydrogele: Muskeln für softe Roboter

Kategorie:
Thema:
Autor: Isabell Hochstrat

Dr. Margarethe Hauck (rechts) und Lena Saure, Erstautorinnen der Studie, haben das Hydrogel im Labor an der Technischen Fakultät hergestellt.
Foto: Julia Siekmann, Uni Kiel
Hydrogele: Muskeln für softe Roboter

Materialforschende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben jetzt ein neues Material entwickelt, das ähnlich wie ein Muskel funktioniert: Die leistungsfähigen, weichen Hydrogele lassen sich für verschiedene Anwendungen anpassen.

Das weiche Material lässt sich in kurzer Zeit kontrolliert verkleinern und wieder vergrößern. Es könnte so zum Beispiel Bewegungsaufgaben in der Softrobotik übernehmen. Das Team hat seine Ergebnisse kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Advanced Materials veröffentlicht.

Wie ein menschlicher Muskel

Hydrogele, wie sie beispielsweise in Kontaktlinsen eingesetzt werden, sind extrem elastisch. Sie bestehen fast komplett aus Wasser und ihre mechanischen Eigenschaften ähneln dem menschlichen Körpergewebe. Spezielle, sogenannte responsive Hydrogele können sich als Reaktion auf ihre Umwelt um bis zu 90 Prozent verkleinern.

„Unsere Hydrogele sind thermoresponsiv, das heißt sie reagieren auf Wärme. Ab einer Temperatur von 32 °C geben sie Wasser ab und verringern so ihr Volumen“, erklärt Dr. Margarethe Hauck, eine der Erstautorinnen der Studie.

Sinkt die Temperatur, nimmt das Hydrogel das Wasser wieder auf und kehrt zu seinem ursprünglichen Volumen zurück. Der Prozess lässt sich beliebig oft wiederholen, was zu einer Art Bewegung führt.

„Im Grunde haben diese Hydrogele das Potential, wie ein menschlicher Muskel zu funktionieren“, so Hauck, die zu dem Thema im Graduiertenkolleg „Materials for Brain“ promoviert hat.

Das macht sie als weiche Antriebselemente für neuartige Softroboter interessant, wo sie als Aktoren eingesetzt werden könnten. Doch bislang dauerte der gesamte Prozess der Volumenänderung noch mehrere Wochen – viel zu langsam für die meisten praktischen Anwendungen.

Winziges Kanalsystem transportiert Wasser

Mit verschiedenen Methoden versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit, das Volumen von solchen thermoresponsiven Hydrogelen schneller zu ändern. Die Kieler Materialforschenden bauten in ihr Hydrogel ein Netzwerk aus winzigen Röhren ein. Durch die zahlreichen, miteinander verbundenen Röhren von wenigen Mikrometern Größe kann das Wasser ungehindert aus dem Hydrogel ab- und zufließen und ermöglicht so eine schnelle Änderung seines Volumens.

„Damit lässt sich das Material deutlich schneller als bisher verkleinern und vergrößern, ohne an Stabilität zu verlieren. Im Gegenteil: Es kann sogar eine bis zu 4.000 Prozent höhere Kraft ausüben“, erklärt Lena Saure, Doktorandin am Lehrstuhl Funktionale Nanomaterialen und ebenfalls Erstautorin.

„Unser Ansatz folgt dem Vorbild der Natur“, sagt Materialwissenschaftler Dr. Fabian Schütt, Leiter der Studie und der Nachwuchsgruppe „Multiscale Materials Engineering” am Lehrstuhl. „Pflanzen und Tiere besitzen vernetzte, hierarchisch aufgebaute Kanalsysteme für einen effektiven Stoff- und Flüssigkeitstransport, wie das Kapillarsystem im Menschen. Nach diesem Prinzip können wir auch die Eigenschaften von weichen Materialien verbessern.“

Wassertransport auf Knopfdruck

Eine extrem dünne Graphenbeschichtung macht die Röhren außerdem elektrisch leitfähig. So können die Forschenden das Hydrogel mit elektrischem Strom erwärmen und den Wassertransport auf Knopfdruck steuern.

„Dies ist ein entscheidender Aspekt, wenn es um die praktische Anwendung solcher weichen Aktoren geht“, betont Schütt.

Damit dauert die gesamte Volumenänderung statt Wochen jetzt nur noch ein paar Stunden

„Wir arbeiten natürlich daran, diesen Prozess weiter zu beschleunigen.“ Auch mit einem gerichteten Lichtstrahl sei es möglich, die Bewegung zu kontrollieren, ergänzt Lena Saure. „So funktioniert die Steuerung des Materials auch kabellos und sehr flexibel.“

Das Team kann das Hydrogel für verschiedene Anwendungen anpassen. Ein anderer Aufbau der inneren Röhren oder eine höhere oder niedrigere Konzentration des Graphens verändern zum Beispiel die Reaktionszeiten oder die ausgeübten Kräfte. Nicola Pugno, Professor für Festkörper- und Strukturmechanik an der Universität Trento, Italien, und zurzeit als Humboldt-Forschungspreisträger am Kieler Lehrstuhl zu Gast, berechnete, wie sich die Veränderung der Materialstruktur auf die Eigenschaften des Hydrogels auswirkt. Außerdem waren Kolleg:innen des Helmholtz-Zentrums Hereon und der Technischen Universität Dresden an der Zusammenarbeit beteiligt.

Intelligente, leistungsfähige Hydrogele

„Zum ersten Mal können wir ein Hydrogel sowohl mit Geschwindigkeit als auch mit Kraft bewegen. Zusammen mit seinen responsiven Eigenschaften, mit denen es selbstständig auf äußere Reize reagiert, bringt uns das einen entscheidenden Schritt näher zu intelligenten leistungsfähigen Materialien für die Softrobotik“, hebt Professor Rainer Adelung, Leiter des Lehrstuhls und des Graduiertenkollegs, die Bedeutung der Ergebnisse hervor.

Die Studie wurde finanziell unterstützt vom Forschungsschwerpunkt KiNSIS der CAU, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG über das Graduiertenkolleg 2154 „Materials for Brain“ und von der Europäischen Union über das Graphene Flagship.

Originalpublikation: Margarethe Hauck, Lena M. Saure, Berit Zeller-Plumhoff, Sören Kaps, Jörg Hammel, Caprice Mohr, Lena Rieck, Ali Shaygan Nia, Xinliang Feng, Nicola M. Pugno, Rainer Adelung, Fabian Schütt. Overcoming Water Diffusion Limitations in Hydrogels Via Microtubular Graphene Networks for Soft Actuators. Adv. Mater. 2023.

atp weekly

Der Newsletter der Branche

Ihr kostenfreier E-Mail-Newsletter für alle Belange der Automatiserung.

Das könnte Sie auch interessieren:

Sie möchten das atp magazin testen

Bestellen Sie Ihr kostenloses Probeheft

Überzeugen Sie sich selbst: Gerne senden wir Ihnen das atp magazin kostenlos und unverbindlich zur Probe!

Finance Illustration 03