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Chips: Halbleiterversorgung in Deutschland stark gefährdet

Deutschlands Versorgung mit Chips könnte aufgrund geopolitischer Krisen stark gefährdet sein – so die in der Wirtschaft weit verbreitete Meinung laut einer aktuellen repräsentativen Bitkom-Umfrage. 92 % der Unternehmen, in denen intensiv mit Halbleitern gearbeitet wird, halten insbesondere die Drohungen Chinas gegenüber Taiwan mit Blick auf die Halbleiterversorgung in Deutschland für besorgniserregend.

von | 24.10.25

Die deutsche Wirtschaft rechnet auch 2026 mit Lieferschwierigkeiten bei Halbleitern.

Deutschlands Versorgung mit Chips könnte aufgrund geopolitischer Krisen stark gefährdet sein – so die in der Wirtschaft weit verbreitete Meinung laut einer aktuellen repräsentativen Bitkom-Umfrage. 92 % der Unternehmen, in denen intensiv mit Halbleitern gearbeitet wird, halten insbesondere die Drohungen Chinas gegenüber Taiwan mit Blick auf die Halbleiterversorgung in Deutschland für besorgniserregend.

USA für viele Unternehmen kein vertrauensvoller Zulieferer mehr

Laut der Umfrage vertrauen nur noch 37 % der Unternehmen, die Halbleiter verwenden, den USA hinsichtlich der weiteren Versorgung mit Chips, wobei 12 % davon „großes Vertrauen“ und 25 % „eher großes Vertrauen“ haben. 48 % haben dagegen „eher geringes Vertrauen“ und 14 % „gar kein Vertrauen“ in die Vereinigten Staaten. Das sind die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom unter 503 Unternehmen ab 20 Beschäftigten aus verarbeitendem Gewerbe, der IT und Telekommunikation – also Branchen, in denen Halbleiter stark genutzt werden.

„Halbleiter stehen im Mittelpunkt internationaler Wirtschaftskonflikte“, sagt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst. „Wir brauchen daher ein starkes Ökosystem von Unternehmen rund um Halbleiter in Deutschland und Europa. So können wir Abhängigkeiten reduzieren und sind weniger erpressbar.“

91 % der befragten Unternehmen verwenden Halbleiter. Für 80 % von ihnen sind Halbleiter für das eigene Geschäft unverzichtbar. Wer im Jahr 2025 Halbleiter bereits gekauft hat oder dies noch tut, bezieht diese vor allem von Unternehmen, die ihren Hauptsitz in den USA (72 %) und in China haben (63 %). Auf Platz 3 liegen Halbleiter-Unternehmen mit dem Hauptsitz in Deutschland (54 %), auf Platz 4 in Japan (36 %). 28 % beziehen ihre Halbleiter von Unternehmen mit Sitz in Taiwan, 27 % von südkoreanischen Unternehmen und 26 % aus der restlichen EU.

„Halbleiter stecken in Smartphones, in Medizintechnik, in Autos, Industrieanlagen, Rechenzentren und Kommunikationsnetzen – ohne sie stünden viele Bereiche unseres Lebens still“, so Wintergerst. „Ihre Herstellung beruht auf einem hochkomplexen globalen Produktionsnetzwerk, in dem viele Länder eng verflochten sind.“

Nicht nur China und die USA, sondern auch Taiwan spielt dabei eine zentrale Rolle für Entwicklung und Produktion der leistungsfähigsten Chips. Ein Konflikt um Taiwan würde daher weit über die Region hinaus die weltweite Chipversorgung massiv stören.

So fordern 90 % der befragten Unternehmen, Deutschland müsse einseitige Abhängigkeiten bei der Halbleiterversorgung beenden. 86 % halten ein starkes Halbleiter-Ökosystem wichtig für die nationale Sicherheit und 85 % für entscheidend, wenn es um die digitale Souveränität Deutschlands geht. Den Status-quo der Halbleiter-Versorgung erleben die Unternehmen weiterhin als schwierig, wenn auch weniger problematisch als 2023 und 2021. So hatten 60 % derjenigen, die in diesem Jahr bereits Halbleiter gekauft haben, Schwierigkeiten bei der Beschaffung – 2023 sagten dies noch 89 % und 81 % im Jahr 2021.

Chips haben im Durchschnitt vier Monate Lieferverzögerung

Die Schwierigkeiten bleiben aber vielfältig: 96 % der von Beschaffungsproblemen betroffenen Unternehmen leiden unter Lieferverzögerungen, 91 % sind mit Preiserhöhungen konfrontiert. Für 84 % sind bestimmte Bauteile teilweise nicht verfügbar, bei 75 % wurden die Liefermengen reduziert. Zwei Drittel (67 % ) haben mit Export- oder Importbeschränkungen zu kämpfen. Rund vier Monate beträgt aktuell die durchschnittliche Lieferverzögerung bei Halbleitern in Deutschland. Damit hat sich die Verzögerung leicht abgemildert, bleibt aber auf hohem Niveau: Vor zwei Jahren waren es 5 Monate, 2021 noch 6,5 Monate.

Wintergerst: „Die Lage auf dem Halbleitermarkt bleibt angespannt – auch wenn sich die schlimmsten Engpässe der vergangenen Jahre gelöst haben. Lieferverzögerungen, Preissprünge und Exportbeschränkungen bleiben Bremsklötze für die deutsche Industrie. Um dauerhaft unabhängiger zu werden, braucht es mehr europäische Fertigungskapazitäten, strategische Partnerschaften und gezielte Maßnahmen, die die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick nehmen. Dass die Bundesregierung dieses Problem mit einer eigenen Mikroelektronik-Strategie angehen will, ist daher ein wichtiger Schritt.“

Wirtschaftlichkeit und IT-Security geben den Ausschlag, nicht der Sitz des Herstellers

Halbleiter sind in diesem Zusammenhang auch für den Einsatz künstlicher Intelligenz unabdingbar. Zwei Drittel (64 %) der Unternehmen, die Halbleiter verwenden, haben bereits spezielle Chips für KI im Einsatz – 49 % zur Ausführung von KI-Anwendungen, etwa in Geräten, Maschinen oder Servern – und 24 % zur Entwicklung oder zum Training eigener KI-Modelle, darunter 9 %, die beide Anwendungsarten nutzen. „Für Künstliche Intelligenz sind besonders leistungsfähige Halbleiter nötig – klassische Chips reichen oft nicht aus. Spezialisierte Prozessoren wie GPUs oder KI-Chips ermöglichen das Training und die Ausführung komplexer Modelle und sind damit entscheidend für leistungsfähige KI-Anwendungen“, betont Wintergerst.

Bei der Auswahl von Halbleiter-Lieferanten spielt der Sitz des Herstellers eine vergleichsweise geringe Rolle – viel wichtiger sind Faktoren der Wirtschaftlichkeit und vor allem der IT-Sicherheit: Drei Viertel (75 %) nennen die Hardware-Sicherheit als „äußerst wichtiges“ Kriterium – also, dass keine versteckten Schwachstellen oder Hintertüren in die Chips eingebaut sind, über die Dritte Zugriff bekommen könnten. 73 % bezeichnen eine zuverlässige Lieferung als „äußerst wichtig“ und 60 % die Reputation des Herstellers. Ähnlich hoch gerankt ist auch die Energieeffizienz der Halbleiter, die für ebenfalls 60 % „äußerst wichtig“ ist. Einen möglichst günstigen Preis erachten hingegen nur 37 % für äußerst wichtig, den Sitz des Herstellers sogar nur 27 %.

Der Umgang mit Lieferanten aus den USA ist für viele Unternehmen, die dort Halbleiter kaufen oder kaufen wollen, dennoch ein Thema (81 %) und von Unsicherheiten unter anderem durch die amerikanische Handelspolitik geprägt. 15 % geben bereits jetzt an, künftig keine Halbleiter mehr aus den USA beziehen zu wollen – 13 % definitiv, 2 % wahrscheinlich. Weitere 21 % würden gern anderswo Halbleiter beziehen, haben aber keine gleichwertigen Alternativen gefunden. 14 % wollen weiter von amerikanischen Unternehmen kaufen, obwohl es für sie gleichwertige Alternativen gibt – und 31 % werden wahrscheinlich Halbleiter von Unternehmen beziehen, die ihren Sitz in den USA haben.

Unternehmen erwarten auch 2026 eine kitische Versorgungslage

Groß ist die Unsicherheit und damit auch die Unentschiedenheit der Unternehmen, die Halbleiter verwenden, bei einem Ausblick auf das kommende Jahr. 42 % rechnen damit, dass die Versorgungslage 2026 entweder sehr kritisch (5 %) oder eher kritisch (37 %) sein wird. 55 % gehen von einer eher guten (53 %) oder sehr guten (2 %) Versorgungslage aus.

Viele Unternehmen, die Halbleiter verwenden, haben sich auf den anhaltenden Chip-Mangel eingestellt und strategische Maßnahmen ergriffen, um ihn abzumildern. Mehr als die Hälfte (56 %) lagert Halbleiter ein bzw. baut eigene Bestände auf. 52 % haben langfristige Vereinbarungen mit Lieferanten bzw. Anbietern getroffen. 44 % suchen nach alternativen Lieferanten, z. B. in anderen Ländern und ebenso viele (44 %) haben eine Multi-Vendor-Strategie aufgebaut, kaufen ihre Halbleiter-Bauteile also bei mehreren statt nur bei einem Anbieter. Auch im Bereich Design sowie beim Aufbau eigenen Know-hows sind viele Unternehmen aktiv geworden: Mehr als jedes fünfte Unternehmen (22 %), das Halbleiter verwendet, hat Produkte einem Re-Design unterzogen und setzt verfügbare Halbleiter alternativ ein. Fast ebenso viele (21 %) bauen eigene Kompetenzen oder Teams beim Chip-Design auf – und 21 % tun dies für die Herstellung der Halbleiter. Forschung und Entwicklung spielen ebenfalls eine Rolle: 18 Prozent kooperieren in Forschung und Entwicklung direkt mit Halbleiter-Herstellern oder Forschungseinrichtungen.

Forderungen an die Politik

Viele Unternehmen der befragten Branchen befürworten steuerliche und förderpolitische Anreize, um die Versorgung mit Halbleitern in Deutschland in Zukunft zu gewährleisten. 86 % fordern Subventionen für die heimische Produktion, beispielsweise beim Bau von Halbleiterfabriken.

Wintergerst: „Die Forderung nach steuerlichen und förderpolitischen Anreizen für eine heimische Halbleiterproduktion ist ein Signal der Unternehmen an die Politik. Deutschland muss im internationalen Subventionswettbewerb bestehen. Mindestens genauso entscheidend sind aber verlässliche Rahmenbedingungen, gut ausgebildete Fachkräfte und eine Verwaltung, die Investitionen beschleunigt statt bremst“, so Wintergerst.

80 % der Unternehmen wünschen sich überdies steuerliche und förderpolitische Anreize für Kunden bei der Bestellung von heimischen Herstellern – und 72 % für Investitionen beispielsweise in Chip-Design, Fertigung und Verpackung. Auch strategische Maßnahmen sind gefragt: Zwei Drittel (69 %) befürworten eine Förderung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich Mikroelektronik. 69 % treten für die Förderung von mehr Transparenz bezüglich der Verfügbarkeit von Halbleitern und Halbleiter-Lieferketten ein. Und auch der Fachkräftemangel ist für den Halbleiter-Standort Deutschland ein gravierendes Problem, dem man aus Sicht von 66 % der Unternehmen durch eine gezielte Unterstützung der Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften im Bereich Mikroelektronik begegnen solle. „Spezialistinnen und Spezialisten für Halbleiter und Mikroelektronik können sich ihre Jobs aussuchen, und zwar weltweit“, betont Wintergerst. „Wenn wir wollen, dass sie nach Deutschland kommen und den Chip-Standort Deutschland stärken, brauchen wir nicht nur gezielte Anwerbe-Kampagnen und ein offenes gesellschaftliches Klima, sondern auch unbürokratische, durchgängig digitale Verwaltungsprozesse.“

Bitkom begrüßt Mikroelektronik-Strategie der Bundesregierung

Bitkom begrüßt in diesem Zusammenhang die von der Bundesregierung geplante Mikroelektronik-Strategie. Sie setzt auf einen ganzheitlichen Ansatz von Design über Fachkräfte bis hin zur Fertigung und stärkt aus Sicht des Digitalverbandes damit Deutschlands Technologie- und Wirtschaftskompetenz. Entscheidend sei, dass Maßnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette an den Bedarfen der Anwenderindustrien und an Marktpotenzialen ausgerichtet werden, Designkompetenz ausgebaut und Synergien zwischen Unternehmen, Startups und Verbänden gezielt genutzt werden.

Mit klaren Zielen, messbaren Fortschritten und enger Abstimmung mit europäischen Initiativen könne die Strategie die Entwicklung energieeffizienter, sicherer und leistungsfähiger Chips entscheidend voranbringen. Wintergerst: „Um unsere Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit zu stärken, müssen wir den Halbleiter-Standort Deutschland konsequent ausbauen – mit eigenen Fertigungskapazitäten, Spitzen-Designkompetenz und attraktiven Rahmenbedingungen für Fachkräfte aus aller Welt.“

Weitere Informationen gibt es unter www.bitkom.org.

Bildquelle, falls nicht im Bild oben angegeben:

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