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ZVEI-Jahreskongress Tag 2: Die Innovationskraft nutzen

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Autor: Jonas Völker

Lars Klingbeil (links) im Gespräch mit Moderatorin Astrid Frohloff.

Der zweite Tag des Jahreskongresses des ZVEI war vor allem geprägt von Diskussionen rund um den Industriestandort Europa im Allgemeinen und Deutschland im Speziellen. Wie kann die digitale und grüne Transformation dazu beitragen, Standortentscheidungen pro Europa zu treffenund wirtschaftlichen Wohlstand sichern? Neben einem klaren “Wir schafffen das”, wenn es um den wirtschaftlichen Erfolg der Nachhaltigkeit geht, standen aber auch konkrete Zukunftstechnologien im Fokus. Mit Manufacturing-X und der Gleichstromtechnologie wird Nachhaltigkeit schon heute konkret umsetzbar.

Der Weg zur All Electric Society steht fest

“Wir wissen, wie wir zur All Electric Society kommen”, erklärte ZVEI-Präsident Dr. Gunther Kegel zum Abschluss des Jahreskongresses. Zuvor hatte er mit “Machen ist wie wollen, nur krasser”, bereits die Marschroute vorgegeben.

Die vergangenen zwei Tage hätten das eindrucksvoll bewiesen. Dennoch dürfte sich die Elektro- und Digitalindustrie noch nicht beruhigt auf die Schulter klopfen, sondern müsse in Zukunft entschlossener handeln. Wie wichtig die Elektrifizierung von Industrie und Gesellschaft heute schon ist, zeigte für Dr. Kegel vor allem die zahlreichen Beiträge aus der Politik. Sie bewiesen, welche Wertschätzung dem ZVEI gerade im politischen Berlin zukäme.

Auch von Seiten der Politik wurde der Stellenwert der Industrie bekräftigt. “WIr müssen uns stärker um die Industriepolitik kümmern”, gestand etwa der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil. Es brauche gerade wenn es um den Weg zur Klimaneutralität gehe, allerdings den Rückhalt der gesamten Gesellschaft.

“Wir können nicht mit dem Kopf durch die Wand rennen, aber auch mit dem Fuß auf der Vollbremse geht es nicht”, mahnte er zur Besonnenheit.

Notwendig für den Erfolg der Energiewende und damit auch der Klimaziele seien für ihn vor allem drei Aspekte, die Deutschland zügig angehen müsse:

  1. Fachkräftezuwanderung: Deutschland muss ein weltoffenes Einwanderungsland werden
  2. Planungs- und Genehmigungsverfahren: Wir müssen weniger Bürokratie wagen
  3. Comeback der Infrastruktur: Unsere in den 1980ern weitestgehend fertiggestellte Infrastruktur genügt modernen Ansprüchen nicht

Deutschland hätte dabei einen enormen Standortvorteil im EU-weiten Vergleich: eine starke demokratische Basis sorge dafür, dass unsere Gesellschaft nicht so polarisiert sei wie andere.Trotzdem müsse das Tempo jetzt angezogen werden:

“Es darf keine Ausreden mehr geben, kleine Schritte kann sich Deutschland nicht mehr leisten.”

­­­Chancen für gemeinsame Gestaltungskraft

Kleine Schritte seien auch für den gesamten Kontinent keine Option mehr, wie Laurent Tardif in seinem anschließenden Vortrag erklärte. Der Präsident der FIEEC (Fédération des Industries Électriques, Électroniques et de Communication), dem französischen Pendant des ZVEI, plädierte für eine starke gemeinsame Stimme auf EU-Ebene. Die Anstrengungen müssten sich dabei auf den EU Green Industrial Plan fokussieren.

Neben der grünen Transformation müsse sich die EU aber auch einer Souveränitäts-Transformation stellen und sich gegenüber den USA und Asien entschiedener zeigen.

Chinas Innovationstempo lässt nach

Mikko Huotari, CEO von MERICS, fügte in der anschließenden Diskussion hinzu, dass sich gerade China in den vergangenen zehn Jahren stark verändert habe. Trotz oder vielleicht gerade wegen einer stärkeren Regulierung habe sich das Transformations-Tempo des Landes verlangsamt. „China ist keine ultimative Success Story mehr“, machte Huotari deutlich, betonte aber gleich danach, dass dem chinesischen Markt auch weiterhin eine Sonderrolle in Asien zukomme.

Genau deshalb sei das von Ursula von der Leyen vorgeschlagene „De-Risking“ der richtige Weg, der den EU-Mitgliedsstaaten allerdings viele Hausaufgaben aufgegeben habe, um auch weiterhin auf dem asiatischen Markt präsent zu sein.

Die eigene Stärke erkennen und nutzen

Matthias Altendorf, CEO Endress+Hauser, drehte den Spieß um und stellte klar:

„Wenn die Welt die Dekarbonisierung wirklich will, muss auch China mitmachen.“

Genau dafür benötige das Land der Mitte aber europäische Produkte und vor allem Know-how. Ähnliche Marktpotenziale sieht Altendorf auch für den US-Markt. Dort müsse sich die EU ebenso auf die eigenen Stärken besinnen. All dies werde vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und anderen geopolitischen Konflikten auf der Welt jedoch relativiert. Er habe in 2022 vor allem drei Dinge gelernt:

  1. Frieden ist nicht kostenlos
  2. Energie ist nicht kostenlos
  3. Geld ist nicht kostenlos

Offene Märkte und die Digitalisierung

Gleich an die Diskussion anschließend wurde das Programm des ZVEI-Jahreskongresses konkreter. Anhand von Manufacturing-X und der DC-Technologie zeigten Dr. Frank Possel-Dölken, CDO und Vorstandsmitglied von Phoenix Contact, Philipp Steinberger, CEO von Wöhner, und Dr. Lukas Köhler, stellvertr. Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, was heute schon in Sachen Nachhaltigkeit möglich ist.

Für Dr. Köhler seien Projekte wie Manufacturing-X entscheidend, um neues Wissen zu generieren. Schließlich sei „Digitalisierung mehr als nur Glasfaserkabel im Boden“. Gerade vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und den perspektivisch bis zu 700.000 fehlenden Fachkräften müssten auch technologische Lösungen gefunden werden, um die entstehenden Lücken zu füllen.

Er prangerte gerade in Bezug auf das Teilen von Daten die noch immer hohe Bürokratie an:

„Wir können nicht auf der einen Seite über KI und VR reden und auf der anderen Seite alles auf Papier dokumentieren.“

In dieselbe Kerbe schlug auch Dr. Possel-Dölken: „In der Welt der Daten ist der Austausch sehr kompliziert und kann Monate dauern.“ Dies sei ein riesiges Hindernis für die Automatisierung des Datenaustauschs zwischen Unternehmen, selbst wenn mit der Verwaltungsschale inzwischen der richtige Datencontainer bereit stehe. Hier sei in den vergangenen Monaten allerdings der Wille der Politik spürbar geworden, etwas zu verändern.

Ähnlich sah das auch Philipp Steinberger, der für den gezielten Einsatz von Gleichstrom plädierte. „Bereits heute könnten wir so 15 bis 20 % Energie ganz einfach einsparen“, erklärte er und verwies außerdem auf den niedrigeren Kupferbedarf bei einer Umrüstung.

EU-weite Energiesynergien nutzen

Kurz vor dem Ende der Veranstaltung stand mit Anke Rehlinger, Ministerpräsidentin des Saarlandes, eine weitere hochrangige Politikerin auf der Bühne. Sie forderte in Anlehnung an die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, den Vorläufer der heutigen EU, eine Europäische Gemeinschaft für Erneuerbare Energien und Wasserstoff. Es müsse Europa gelingen, die sehr unterschiedlichen Infrastrukturen und Gegebenheiten (Süden sehr heiß, gut für Photovoltaik, im Norden viel Wasserkraft) gemeinsam zu nutzen und Synergieeffekte zu identifizieren.

Dazu gehöre auch die Akzeptanz verschiedener energiepolitischer Wege. Wir müssten anerkennen, dass Frankreich weiter auf Atomenergie setze, genauso wie unser Nachbar im Westen akzeptieren müsse, dass wir genau das eben nicht tun.

Ein großer Hemmschuh für die grüne Transformation ist auch für Rehlinger allerdings besonders die Regulierungsgeschwindigkeit der EU. Sie müsse an das deutlich schnellere Transformations-Tempo angepasst werden, um die Klimaziele nicht zu gefährden. Gleihzeitig helfe der EU aber eine Politik nach dem Känguru-Prinzip à la „Weit gesprungen aber nichts im Beutel“ nicht weiter.

Den Standort Europa stärken

Als gelungenes Transformationsbeispiel stellte ZF-Vorstandsmitglied Stephan von Schuckmann vor, wie ehemalige Fachkräfte der ZF-Getriebefertigung für Verbrennungsmotoren im Saarland nun nach einer Umschulung in der neuen Halbleiterfabrik eingesetzt werden können. Die geplante neue digitalisierte Fabrik von Wolfspeed, an der auch ZF mit 2,5 Mrd. Euro beteiligt ist, sei außerdem ein gutes Beispiel dafür, wie Standortentscheidungen auch in Zukunft pro Europa getroffen werden könnten.

„Standortentscheidungen werden jetzt gefällt, aber die Auswirkungen spüren wir erst in einigen Jahren“, sagte von Schuckmann.

Gleichzeitig mache das neue Halbleiterwerk deutlich, dass auch in Zukunft Möglichkeiten bestehen, bei Chips nicht von den USA oder Asien abhängig zu sein.

Strom ist der Energieträger der Zukunft

Dr. Kegel nahm den Faden in seinen Schlussworten auf und erklärte, dass Unternehmen jeden Tag kleine Entscheidungen träfen, die kumuliert im Moment oft zu Ungunsten Deutschlands und Europas ausfallen. Diesen Trend gelte es auch durch die Dekarbonisierung zu stoppen.

„Bei all der Transformation darf die Regulierung aber nicht im Weg stehen“, appellierte Dr. Kegel zum Schluss ehe er mit den Worten endete:

“Die All-Electric-Society ist für uns kein fernes Bild mehr, auf dem Weg dorthin müssen wir die Instrumente des Markts entschlossener nutzen. Deshalb setzen wir uns für Strom als attraktive Energieform ein – Transformation muss sich für alle rechnen. Wir müssen anständig mit dem umgehen, was uns übertragen wurde und was wir kommenden Generationen übertragen. Wir als Branche gehen aktiv voran und wollen gestalten – gemeinsam mit unseren europäischen Partnern.

Der nächste Jahreskongress des ZVEI findet am 16. und 17. Mai 2024 statt.

Weitere Informationen gibt es unter www.zvei.org.

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