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Sack zu!

Dr.-Ing. Thomas Tauchnitz, Chefredakteur Industry des atp magazins, empfiehlt, Innovationen schrittweise auf den Markt zu bringen.

von | 16.01.25

Unser Komlumnist erklärt, was wir vom Kegeln lernen können.
Foto: Olaf Gedanitz - stock-adobe.com

Dr.-Ing. Thomas Tauchnitz, Chefredakteur Industry des atp magazins, empfiehlt, Innovationen schrittweise auf den Markt zu bringen.

Kurzer Exkurs in den Kegel-Sport

Kegeln ist ja aus der Mode gekommen. Deshalb sollte ich wohl das Spiel „Sack zu!“ oder „Einsacken“ kurz erklären: Gespielt wird es mit zwei Mannschaften. Wenn eine Mannschaft 15 oder mehr Punkte erreicht hat, kann sie entweder weiter werfen oder „Sack zu“ rufen. Damit stellt sie sicher, dass sie diese Punkte nicht mehr bei einem Fehlwurf verlieren kann. Andererseits verzichtet sie darauf, durch Weiterspielen weitere Punkte zu erhalten – aber eben mit dem Risiko des Totalverlusts.

NAMUR-Hauptsitzung: alte Themen!?

Warum erzähle ich das? Ein PLT-Kollege hat, so steht es bei LinkedIn, über die NAMUR-Hauptsitzung gesagt: „Ein großer Haufen von alten Themen…“ Als Freund der NAMUR hat mich das natürlich spontan geärgert.

Aber der unbekannte Kollege hat (leider) auch recht: Über MTP (Module Type Package) reden wir seit 2013, über NOA (NAMUR Open Architecture) seit 2016, über PLT-Teilmodelle der AAS (Asset Administration Shell) seit 2020. Stand heute liegen vier der ursprünglich geplanten 12 Standardisierungsblätter des MTP, drei der fünf NOA-Empfehlungen und nur ein einziges AAS-Teilmodell für die PLT vor.

Das gibt allen Gegnern dieser Technologien die bequeme Ausrede: „Der Standard ist noch nicht fertig, das kann ich weder anwenden, noch muss ich es als Anbieter zur Verfügung stellen“. Entsprechend rar sind bis heute die Anwendungen.

„Sack zu!“ spielen

Mein Ziel ist nicht, Nestbeschmutzer zu sein. Im Gegenteil, ich unterstütze diese Innovationen aus ganzen Herzen. Aber wir sollten unser typisch deutsches Over-Engineering vermeiden und lieber „Sack zu!“ spielen.

  • Realistische Ziele setzen: Es kommt nicht darauf an, was langfristig alles sinnvoll wäre, sondern was für einen ersten wirtschaftlichen Einsatz nötig ist.
  • Termine setzen: Im Englischen gibt es den drastischen Begriff der „deadline“. Termine können „Todeslinien“ sein: Wenn ich sie nicht einhalte, kann das Projekt tot sein. Das Zeitfenster schließt sich, andere Ideen entstehen, Mitwirkende verlieren das Interesse.
  • „Sack zu!“ spielen: In die aktuelle Version des Standards kommt nur rein, was bis dahin fertig ist. Alles andere kommt eben in die nächste Version in einem oder zwei Jahren.
  • Schnell anwenden: Schwimmen lernt man nicht, indem man nachdenklich am Beckenrand steht. Sondern indem man irgendwann ins Wasser springt und es einfach tut. Die Anwendungserfahrungen lassen sich nicht ersetzen und beschleunigen die Entwicklung.

Wie bei Autos und Mobiltelefonen …

Bin ich mit diesem Vorschlag zu radikal? Ich glaube nicht. Denken Sie an die Entwicklung des Autos: Aus heutiger Sicht war es bei seiner Einführung noch ziemlich unbrauchbar, und trotzdem hat es sehr schnell die Pferdekutschen verdrängt. Oder das Mobiltelefon: Die „Barrenhandys“ der frühen 2000er waren alles andere als smart. Aber nur weil sie erfolgreich waren, gibt es heute Smartphones.

Lassen Sie uns also gemeinsam „Sack zu!“ spielen! Damit wir nicht über „einen großen Haufen von alten Themen“ sprechen, sondern über Erfahrungen und tolle neue Möglichkeiten. Über Autos und Smartphones wird ja auch immer noch gesprochen.

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