Dr.-Ing. Thomas Tauchnitz, Chefredakteur Industry des atp magazins, berichtet von einem Gespräch mit ZVEI-Präsident Dr. Gunter Kegel über die Automatisierungstechnik als „Enabling Technology”.
Der AUTOMATION Podcast
Vielleicht ist er Ihnen schon aufgefallen: Seit Mitte Juni gibt es alle 14 Tage den AUTOMATION Podcast. Dr. Kurt D. Bettenhausen und ich diskutieren darin mit interessanten Gästen über aktuelle Technologien, Trends und den Nutzen der Automatisierungstechnik. In der aktuellen Folge sprachen wir mit Dr. Gunther Kegel, CEO der Pepperl + Fuchs SE und Präsident des ZVEI, über die wirtschaftliche Bedeutung der Automation. Sein Blick auf die Branche ist klar und ermutigend – eigentlich eine Pflichtlektüre für alle, die Berührungspunkte zur Automatisierung haben. Der folgende Text fasst die Folge für Sie zusammen und besteht weitgehend aus Zitaten von Dr. Kegel. Den vollständigen Podcast finden Sie bei Spotify, Amazon und Apple.
Direkte wirtschaftliche Bedeutung
Das Wichtigste zuerst: In Summe kommen 26 % des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands aus der industriellen Wertschöpfung. 11 % davon stammen aus der Elektro- und Digitalindustrie, womit sie hinter dem Fahrzeug- und Maschinenbau hierzulande auf dem dritten Platz landet. Die Elektro- und Digitalindustrie hat außerdem knapp über 900.000 Beschäftigte.
Indirekte wirtschaftliche Bedeutung
Die Automatisierungstechnik ist eine Enabling Technologie. „Wir sind immer diejenigen, die andere in die Lage versetzen, tolle Dinge zu machen, und man übersieht dabei, dass wir selbst auch ganz tolle Dinge tun. Deswegen haben wir nicht ganz die öffentliche Wahrnehmung wie beispielsweise die Automobilindustrie, deren Neuerungen und Errungenschaften in den letzten Jahren aber eher zu 90 % aus der Elektrotechnik und nicht aus dem Maschinenbau oder aus dem Verbrennungsmotor gekommen sind“, erklärt Dr. Kegel. Diesen Hebel als Enabling Technologie kann man leicht auf den Maschinenbau und die ganze Fertigungsindustrie übertragen.
Kurzer Blick auf die Geschichte der Automatisierungstechnik
- Zu Beginn, in den 1960er und 1970er Jahren, ging es darum, die menschliche Arbeitskraft zu ersetzen, dadurch Kosten und Ressourcen zu sparen, ermüdende Tätigkeiten zu vermeiden und den Output zu erhöhen.
- Später sollte dann auch die Qualität erhöht werden, denn durch menschliche Bearbeitung entsteht eine Fehlerquote von 1,5 bis 2 %. Dieser Wert lässt sich nur durch wiederholte Tests oder eben durch Automatisierung verringern.
- Ein weiterer Trend war die Miniaturisierung. Moderne Bauelemente haben Kantenlängen von unter einem Millimeter. Sie lassen sich mit menschlichen Händen überhaupt nicht mehr montieren, nicht mehr zusammenbauen, nicht mehr prüfen.
- In den 1980er Jahren wurde dann die Sicherheit wichtiger. Die funktionale Sicherheit der Maschinen wurde auch der Automatisierung übertragen und immer mehr elektronische sicherheitsgerichtete Sensoren wurden dazu genutzt. Sensorische Absicherungen wurden gesetzlich vorgeschrieben.
- Heute ist der Begriff Resilienz in den Vordergrund gerückt. Wenn ich eine automatisierte Anlage habe, die ich vielleicht noch redundant ausführe, dann sollte ich eine gewisse Resilienz verfügen, um gegenüber Störungen meines Ablaufs nicht mehr zu empfindlich zu sein.
- Mittlerweile nutzen wir die Automatisierung und auch die Digitalisierung dazu, unseren Nachhaltigkeitspflichten gerecht zu werden.
Zusammenfassend: Das Wachstum der Automation ist dadurch begründet, dass wir eigentlich jedes Jahrzehnt eine neue Domäne erobert haben, die wir mit den Automatisierungstechniken dann wirklich automatisiert, ressourceneffizient sowie ressourcenoptimal betreiben können. Das ist eben längst nicht mehr nur der eigentliche Wertschöpfungsvorgang.
Ausblick
Die Automatisierungstechnik ist qua Definition eine Wachstumsbranche. Alle wichtigen Trendthemen, ob es nun KI, Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung im Sinne der Nachhaltigkeit ist, oder ob wir uns mit der Frage des Klimaschutzes durch den CO2-Ausstoß befassen: Alles bedarf der Elektrotechnik, bedarf der Automation, bedarf der Digitalisierung.
Wir sind also eigentlich zu Wachstum verdonnert. Und dass wir im Moment mal eine Verschnaufpause einlegen müssen, ist ärgerlich, aber es ändert nichts an diesen Megatrends. Wenn die Elektrotechnik, die Automatisierungstechnik, die Digitalisierung nicht nachhaltig wachsen, heißt das: die Menschheit gibt ihre wichtigsten Ziele auf:
- eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft
- eine weitgehend klimaneutrale Versorgung unseres Wohlstands
Erst wenn wir diese Ziele aufgeben, wird die Automatisierung perspektivisch nicht mehr wachsen. Das, was wir im Moment sehen, ist eine konjunkturelle Delle, die vielfältige Ursachen hat, weswegen sie einfach länger dauert. Aber sie wird verschwinden. Sie wird mit Sicherheit wieder einer Periode eines deutlichen dynamischen Wachstums weichen, davon bin ich fest überzeugt. Denn wir werden ohne Automatisierung, Digitalisierung, Elektrifizierung unsere ehrgeizigen Menschheitsziele nicht erreichen.
Mit dieser Perspektive wünsche ich Ihnen eine erfolgreiche Arbeit für die Automatisierungstechnik – und genügend Motivation für die Mühsal der Ebene.
Dr.-Ing. Thomas Tauchnitz
Chefredakteur Industry atp magazin
atp@TAUTOMATION.consulting