Dr.-Ing. Thomas Tauchnitz, Chefredakteur Industry des atp magazins, stellt ein globales Konzept für den Digital Product Passport (DPP) vor.
Der Digital Product Passport (DPP) muss kommen
Im Rahmen der europäischen „Ecodesign for Sustainable Products Regulation“ (ESPR), die am 18. Juli 2024 offiziell in Kraft getreten ist, hat die Europäische Kommission die Einführung eines „digitalen Produktpasses“ (DPP) angekündigt.
Jedes Produkt, das in den Geltungsbereich der ESPR fällt, muss zukünftig über einen DPP verfügen – andernfalls darf es nicht auf dem EU-Markt in Verkehr gebracht werden. Jedes Produkt muss auch individuell identifizierbar sein durch einen „Unique Identifier“. Dies gilt z. B. für große Batterien bereits ab 2027, aber bis 2030 wahrscheinlich für jedes Produkt.
Dies ist zwar eine europäische Regulierung, sie wird sich aber weltweit auswirken. Denn beispielsweise benötigt ein europäischer Maschinenhersteller die relevanten Daten für alle Komponenten, die er global eingekauft hat. Und bitte in elektronischer Form, damit die Zusammenführung der Daten automatisch erfolgen kann. Es ist also zwingend erforderlich, hier globale Standards zu entwickeln. Wir müssen sowohl parallele oder gar widersprüchliche Standards als auch inkompatible Tools vermeiden. Das setzt eine schnelle und konstruktive internationale Zusammenarbeit voraus.
Das ist nicht einfach, denn es gibt unterschiedliche Ansätze zur Informationsmodellierung, beispielsweise OPC UA und die Verwaltungsschale (AAS). Doch jetzt gibt es wirklich gute Nachrichten, die im Trubel der SPS-Messe leider etwas untergingen.
Joint forces for Digital Product Passport (DPP)
Am 13. November wurde in Nürnberg auf einer Pressekonferenz berichtet, dass nicht weniger als acht Verbände und Konsortien gemeinsam vorgehen wollen. Es gibt sogar eine Aufzeichnung der Pressekonferenz auf Youtube. Die acht Verbände und Konsortien sind (in alphabetischer Reihenfolge):
- CESMII
- Digital Twin Consortium
- ECLASS
- IDTA
- LNI4.0
- OPC Foundation
- VDMA
- ZVEI
Die Lösung heißt: „DPP und Digital Battery Passport powered by AAS, EDC und OPC UA“. Dabei steht EDC für Eclipse Dataspace Components der Eclipse Foundation.
Ich könnte Sie jetzt mit weiteren zehn Abkürzungen und Stichworten erschlagen, aber als Ingenieur sind mir konkrete Anwendungen wichtiger. Ich erkläre das Konzept daher lieber anhand der nachfolgenden Abbildung.
Modellierung mit OPC UA, Semantik von AAS, Transport mit REST
Der Hersteller einer Papierrolle hat im Beispiel den Produktpass seines Produktes mit Hilfe der Modellierungssprache OPC UA modelliert und dafür die semantische Beschreibung der AAS Submodel Templates genutzt (z. B. die Submodel Templates „Product Carbon Footprint“ und „Digital Nameplate“).
Dafür gibt es verschiedene verbreitete Modellierungswerkzeuge, beispielsweise den CESMII Smart Manufacturing Designer (unten links im Bild). Der Produktpass wird technisch zu einem „Smart Manufacturing Profile“ (ein OPC-UA-Informationsmodell). Dieses Smart Manufacturing Profile wird als OPC UA Nodeset Datei abgelegt und kann entweder der UA Cloud Library oder einem AAS Repository hinzugefügt werden. So kann es der Käufer der Papierrolle über die eingebaute REST-Schnittstellen lesen und seinen Systemen für die weitere Nutzung entlang der Wertschöpfungskette zur Verfügung stellen.
Die beteiligten Konsortien hoffen, dass dies der globale Standard für den Datenaustausch entlang der Produktions-Wertschöpfungskette wird. Entsprechende Gespräche mit weltweiten Standardisierungsgremien finden bereits statt, in Europa wollen alle Verbände diese Lösung in die EU-Standardisierungsgruppe „CEN/CEGELEC JTC24 – Digital Product Passport – Framework and System“ einbringen.
Angesichts der vielen Beteiligten an diesem Konzept halte ich diese Lösung für sehr erfolgversprechend. Lassen Sie uns die Daumen drücken!
Dr.-Ing. Thomas Tauchnitz
Chefredakteur Industry atp magazin
atp@TAUTOMATION.consulting