Ohne das Internet wäre alles nichts
Stellen Sie sich mal vor, Covid wäre zwanzig Jahre eher gekommen, also im Jahr 2000. Damals gab es in Deutschland ungefähr eine Million DSL-Anschlüsse, die eine Downloadrate von maximal 16 Mbit/s hatten. Davon konnten Menschen in ländlichen Gebieten nur träumen, dort betrug die Downloadgeschwindigkeit 384 kBit/s. Damals wäre ein Homeoffice nicht möglich gewesen, Videotelefonate waren kaum verfügbar und wahnsinnig teuer. Kurz: die Wirtschaft wäre zum Erliegen gekommen.
Doch wer hätte bei der Erfindung des Protokolls TCP (1973), des Internet-Protokolls (IP, 1984), des WWWs (1991), der Breitbandtechnologie DSL auf klassischen Telefondrähten, wer hätte bei all dem gedacht, dass das eines Tages bei einer Pandemie unsere Wirtschaft rettet und unseren Alltag bereichert? Zwei Punkte sind mir wichtig:
- Man braucht nicht eine einzelne Technologie, sondern einen ganzen Technologie-Stack. Was würde DSL nutzen, wenn es kein www gäbe, oder das www, wenn man zu Hause nicht reinkäme?
- Man braucht einen langen Atem: Ich glaube nicht, dass irgendein Mensch bei den einzelnen Komponenten des Technologie-Stacks voraussehen konnte, wie das Internet unser Leben ändern würde. Und wer da nur an das nächste Quartalsergebnis oder die nächste Karrierestufe denkt, macht alles kaputt.
APL und MTP
Das neue atp magazin 5/2024 zur ACHEMA stellt zwei Technologien vor, die mich an die Erfindung des Internets erinnern:
- Auch Ethernet-APL (Advanced Physical Layer) allein bringt noch keinen Nutzen. Dazu gehört ein Technologie-Stack, bestehend aus Profinet bzw. EtherNet/IP, Gerätebeschreibungen, Field Device Integration (FDI), Datenmodell PA-DIM und Safety-Protokolle wie PROFIsafe bzw CIP Safety. Und natürlich Sensoren, Aktoren, Switches, Leitsysteme, Sicherheits-Steuerungen und Asset Management-Systeme, die Ethernet-APL verstehen. Beiträge im Heft zeigen diverse Anwendungen und eine aktualisierte Marktübersicht.
- Auch die modulare Automation mit dem MTP (Module Type Package) erfordert nicht nur die Technologie, sondern auch Anwendungswissen der Betreiber hinsichtlich modularer Anlagen und Integration von Package Units, sondern auch Anlagenbauer und Komponentenhersteller, die ihre Produkte systematisch und anwendungsfreundlich entwickeln und beschreiben. Und es gibt immer wieder neue Anwendungsideen, an die auch niemand vorher gedacht hat.
Diese Technologien sind einsatzbereit, die Vorteile sind nachgewiesen, die Zeit für „wait and see“ ist vorbei. Sie können jetzt die lang ersehnte „Digitalisierungs-Kettenreaktion“ auslösen, weil die Daten endlich zugreifbar sind und modular gedacht werden kann.
Wissenschaftliche Hauptbeiträge im atp magazin 5/2024
Wenn Sie den Journalteil des Magazins gelesen haben, nehmen Sie einen frischen Kaffee und lesen Sie die Hauptbeiträge über DEXPI für Anfänger, Energieeffizienter Betrieb modularer Anlagen mit dem MTP, Lastspitzenglättung durch Elektrofahrzeuge und CO2-Emissionen von Stellantrieben.
Dr.-Ing. Thomas Tauchnitz
Chefredakteur Industry atp magazin
atp@TAUTOMATION.consulting