Dr.-Ing. Thomas Tauchnitz, Chefredakteur Industry des atp magazins, diskutiert das Verhältnis von Künstlicher Intelligenz und klassischer Automatisierungstechnik.
„AI beats Automation?“ ist der Titel der diesjährigen Tagung AUTOMATION, die am 2. und 3. Juli in Baden-Baden stattfindet. Dieses Treffen der Automatisierungs-Community von Lösungsanbietern, Anlagenbetreibern und Hochschulen steht also unter einem Fragezeichen. Die aktuelle Ausgabe des atp magazins, das in dieser Woche in den Versand geht und auch vor Ort sein wird, greift das Thema auf und wagt – mit einem ironischen Unterton – die These: „Der Schein trügt“.
Schwerpunkt Large Language Models (LLMs)
Doch im Heft wird die Frage der Künstlichen Intelligenz im Bereich der Automatisierung sehr tiefgehend und von vielen Seiten beleuchtet. Schwerpunkt dabei sind die Large Language Models (LLMs), die durch ChatGPT allgemein bekannt geworden sind, aber nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Gebiet der AI darstellen.
Die wirtschaftliche Bedeutung der Künstlichen Intelligenz ist beeindruckend: Der AI-Markt umfasst 169 Milliarden Euro und soll bis 2023 auf 761 Milliarden Euro ansteigen. 75 % der Unternehmen wollen in den nächsten Jahren AI einsetzen. Doch, wie Prof. Alexander Löser von der Beuth-Hochschule für Technik sagt: „KI ist kein Schalter, den ich heute betätige und ab morgen verdiene ich mehr.“ Und Prof. Dr.-Ing. Martin Ruskowski vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) schreibt: „Wir müssen die Digitalisierung und KI dort einsetzen, wo sie einen konkreten Mehrwert zur mechanischen Automatisierung liefert, sonst bleibt die Vision eine leere Hülle. Deshalb ist es notwendig, die Ära der Anwendung auszurufen.“ Dr.-Ing. Dr. h. c. Michael Weyrich von der Universität Stuttgart betont die Notwendigkeit, AI in den Engineeringprozess und die Automationstechnik zu integrieren.
„Da eine grundlegende Infrastruktur für die Datenerfassung und Prozesssteuerung unerlässlich ist, ist der Einsatz von KI ohne Automatisierungstechnik schier unmöglich.“
Zusammenfassung: Wir brauchen beide Werkzeuge
Mein Fazit: Es geht hier nicht darum, ob die Künstliche Intelligenz die Automatisierungstechnik schlägt oder umgekehrt. Man braucht beide Werkzeuge, und beide müssen wirtschaftlich relevanten Mehrwert schaffen. Ein Beispiel dafür: Man kann eine Anlage aus bewährten und qualifizierten Funktionseinheiten zusammenbauen – dazu braucht man im Wesentlichen keine AI, sondern einen gut bestückten Baukasten. Oder man kann das bisherige individuelle Engineering einer Anlage durch AI unterstützen. Man wird in jedem Fall neu bewerten müssen, welcher Weg zu besseren Ergebnissen führt.
Die Hauptbeiträge
Die Hauptbeiträge der aktuellen Ausgabe des atp magazins spiegeln genau diese Abwägung zwischen AI und klassischer Automatisierungstechnik wider. Drei der vier Hauptbeiträge beschäftigen sich mit der Anwendung von LLMs in der Automatisierung:
- Ein LLM-Agent beobachtet das Systemverhalten und wird in Automatisierungslösungen integriert.
- Auch die Erzeugung von Robotercode kann durch LLMs unterstützt werden.
- LLMs können Informationen aus unstrukturierten Daten gewinnen.
Der vierte Hauptbeitrag verfolgt einen klassischen, strukturierten Ansatz: Mit Hilfe von Verwaltungsschalen können PLT-Einrichtungen systematisch geplant und betrieben werden. Die Daten der Planungs- und Betreuungsaktivitäten liegen in systemneutraler Form vor und werden im Lifecycle ohne Systembrüche aktualisiert.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen.
Dr.-Ing. Thomas Tauchnitz
Chefredakteur Industry atp magazin
atp@TAUTOMATION.consulting