NOA steht für Namur Open Architecture und ist ein von der Anwendervereinigung NAMUR entwickeltes Architekturkonzept zur schrittweisen Digitalisierung der Prozessindustrie, ohne dabei bestehende Automatisierungsstrukturen grundlegend verändern zu müssen. Die Idee dahinter: Prozessdaten, die bislang in geschlossenen Automatisierungssystemen verborgen blieben, sollen sicher, standardisiert und parallel zur Steuerungsebene für überlagerte, nicht steuernde Anwendungen (z. B. Condition Monitoring, Data Analytics, Predictive Maintenance) zugänglich gemacht werden.
Ziel von NOA ist es, eine offene, erweiterbare Infrastruktur zu schaffen, die bestehende DCS-/PLC-Systeme nicht ersetzt, sondern ergänzt. Die Initiative wurde im Jahr 2016 im Rahmen der NAMUR-Hauptsitzung erstmals vorgestellt und seither gemeinsam mit ZVEI, VDMA, Forschungsinstitutionen und führenden Herstellern konkretisiert.
Architektur und Strukturprinzip
NOA basiert auf einem Erweiterungsprinzip: Die klassische Automatisierungsarchitektur (mit Steuerung, Feldgeräten und Leitsystem) bleibt in ihrer Struktur erhalten. Parallel dazu wird eine zweite Kommunikationsschiene eingeführt, über die Zusatzdaten (z. B. Diagnosen, Parameter, Zustände) für datengetriebene Anwendungen zur Verfügung gestellt werden – ohne die Steuerung zu beeinträchtigen.
Zentrale Komponenten des NOA-Modells sind:
- NOA-kompatible Sensoren/Aktoren: Feldgeräte, die über eine standardisierte zweite Schnittstelle (z. B. HART, FDI, OPC UA) Zusatzdaten bereitstellen können.
- NOA Monitoring and Optimization (M+O) Layer: Diese Schicht nimmt die Zusatzinformationen entgegen und verarbeitet sie weiter – z. B. in Edge-Gateways, Cloud-Plattformen oder APM-Systemen (Asset Performance Management).
- NOA Information Model: Einheitliche semantische Beschreibung der Datenobjekte (z. B. Geräteparameter, Kalibrierstatus), die auf internationalen Standards wie OPC UA und NAMUR Open Architecture Information Model (NOA-IM) basieren.
- Security-by-Design: NOA sieht von Beginn an eine strikte Trennung der Datenflüsse für Steuerung (Control Layer) und Monitoring (M+O Layer) vor, um Cybersecurity zu gewährleisten.
Anwendungsfelder und Nutzen
NOA erlaubt einen einfachen Zugang zu den bislang ungenutzten 80 % der verfügbaren Feldgerätedaten, die in klassischen DCS-Strukturen nicht abgerufen oder weiterverarbeitet werden. Typische Anwendungen sind:
- Condition Monitoring: Erkennung von Verschleiß, Leckagen oder Messwertdrift
- Anlagenoptimierung: Analyse von Energieverbrauch, Prozessschwankungen, Auslastung
- Wartungsmanagement: Zustandsorientierte Instandhaltung statt zyklischer Wartung
- Digitale Zwillinge: Anreicherung von Simulationsmodellen mit Live-Daten
- Rückwirkungsfreie Datennutzung: Sicheres paralleles Auslesen ohne Eingriff in den Steuerkreis
NOA ermöglicht damit ein datengetriebenes Anlagenmanagement, ohne die funktionale Sicherheit oder die Echtzeitfähigkeit bestehender Systeme zu gefährden. Es unterstützt sowohl Brownfield-Anlagen als auch neue Anlagenkonzepte mit modularer Architektur (MTP).
NOA im Kontext industrieller Standards
NOA ist komplementär zu anderen Industrie-4.0-Initiativen wie:
- MTP (Module Type Package): Schnittstellenstandardisierung für modulare Anlagen
- OPC UA: Kommunikationsprotokoll mit standardisierter Semantik
- AAS (Asset Administration Shell): Digitale Repräsentation von Assets
Gemeinsam ermöglichen diese Standards eine herstellerübergreifende Interoperabilität, flexible Anlagenintegration und eine zukunftssichere Digitalisierungspipeline – von der Feldebene bis zur Unternehmens-IT.
Schlussbetrachtung
NOA ist ein Schlüsselkonzept für die evolutionäre Transformation der Prozessindustrie. Es öffnet den Zugang zu bislang ungenutztem Wissen im Feld, ohne bewährte Automatisierungsstrukturen zu gefährden. Die Trennung von Steuerung und Optimierung, der Einsatz offener Standards sowie die konsequente Sicherheitsarchitektur machen NOA zu einem robusten Fundament für digitale Mehrwertdienste im Brownfield und Greenfield. Als Baustein der NAMUR Digitalisierungsstrategie trägt NOA entscheidend dazu bei, Prozessanlagen resilient, datenoffen und zukunftsfähig zu gestalten.
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