Die Asset Administration Shell (AAS) – auf Deutsch: Verwaltungsschale eines Assets – ist ein zentrales Konzept der Industrie 4.0 zur Digitalisierung, Beschreibung und Verwaltung industrieller Objekte. Sie fungiert als standardisierte digitale Repräsentation eines physischen oder virtuellen Assets – also etwa einer Maschine, Komponente, Softwareinstanz, Fertigungsressource oder auch eines kompletten Produktsystems.
Die AAS beschreibt nicht das Asset selbst, sondern kapselt alle relevanten Informationen, Funktionen, Parameter und Zustände, die zur Interaktion mit diesem Asset notwendig sind – maschinenlesbar, interoperabel und konform zu Industriestandards wie IEC 61360, OPC UA, AutomationML oder eCl@ss. Als standardisiertes Schnittstellenmodell bildet die AAS die Grundlage für den Digitalen Zwilling in vernetzten Produktionssystemen.
Struktur und Komponenten
Die AAS ist modular aufgebaut und besteht aus:
- einem Header, der das Asset eindeutig identifiziert (z. B. Seriennummer, Hersteller-ID, Produktklasse),
- einem Submodel-Container, der verschiedene Teilaspekte des Assets strukturiert abbildet.
Jedes Submodell steht für einen bestimmten Funktionsbereich, z. B.:
- Technische Daten (Abmessungen, Gewicht, Anschlüsse)
- Zustandsinformationen (Betriebsstunden, Fehlercodes, Energieverbrauch)
- Instandhaltungsdaten (Wartungsintervalle, Historie, Ersatzteile)
- Sicherheits- und Nutzungsrichtlinien
- Prozessschnittstellen (z. B. IO-Link, Feldbusvariablen)
- Lebenszyklusdaten (Herstellung, Einsatz, Recycling)
Die Submodelle nutzen semantisch definierte Datenmodelle, die auf international standardisierten Vokabularen basieren. Dies erlaubt die maschinenlesbare Interpretation durch andere Systeme – eine Voraussetzung für autonome Fertigung, Plug-and-Produce-Konzepte und flexible Produktionsnetzwerke.
Rolle in der Industrie 4.0
Die AAS ist ein Kernelement der von der Plattform Industrie 4.0 entwickelten Referenzarchitektur RAMI 4.0 (Reference Architectural Model for Industry 4.0). Innerhalb dieses Modells stellt die AAS die Schnittstelle zwischen realer Welt und digitalem Ökosystem dar. Sie ermöglicht die Einbindung von Assets in industrielle Datenräume, Services, Engineering-Workflows, MES-/ERP-Systeme und Cloud-Plattformen.
Durch die AAS kann jedes Industrieobjekt eindeutig adressiert, über standardisierte APIs angesteuert und in verteilte Prozesse eingebunden werden. Das macht sie essenziell für:
- die Automatisierung der Integration (z. B. durch Plug-and-Produce),
- das Lifecycle-Management von Anlagenkomponenten,
- die Kollaboration in Lieferketten,
- die Interoperabilität in heterogenen Systemlandschaften.
Standardisierung und Umsetzung
Die AAS wird maßgeblich durch die Industrial Digital Twin Association (IDTA) vorangetrieben. Technisch basiert die Umsetzung auf dem AAS-Metamodell, das als öffentlich zugänglicher Standard (z. B. DIN SPEC 91345) definiert ist. Die Kommunikation kann über HTTP-REST, OPC UA oder MQTT erfolgen. Für die praktische Entwicklung existieren Open-Source-SDKs, Testwerkzeuge und Referenzimplementierungen, etwa in Form des AASX Package Explorer.
Ein wachsendes Ökosystem von Herstellern, Softwareanbietern und Plattformbetreibern unterstützt inzwischen die Implementierung der AAS – darunter SAP, Siemens, Festo, Bosch Rexroth, Phoenix Contact und Fraunhofer IESE.
Schlussbetrachtung
Die Asset Administration Shell ist ein Grundbaustein für die digitale Transformation industrieller Wertschöpfungsketten. Sie schafft eine standardisierte, interoperable und maschinenlesbare Abstraktionsebene für industrielle Assets – unabhängig von Hersteller, Technologie oder Einsatzgebiet. Als digitale Schnittstelle eines Assets ermöglicht sie eine durchgängige Automatisierung, optimiertes Engineering, transparente Instandhaltung und die Integration in übergeordnete Systeme. In einer zunehmend datengetriebenen Produktion ist die AAS der Schlüssel zu Flexibilität, Transparenz und Zukunftsfähigkeit.
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