Am 19. und 20. März 2025 fand in Berlin die Transform, das zentrale B2B-Event des Bitkom zur digitalen Transformation statt. Hier diskutierten Entscheider über Chancen und Herausforderungen für Unternehmen.
Vor diesem Hintergrund wirft Andreas Gerhardt, Experte für digitale Transformation und CEO von GlobalConnect Deutschland, einen Blick nach Skandinavien: Wie haben konsequente Digitalstrategien in Schweden und Finnland das Wirtschaftswachstum gefördert – und was kann der deutsche Mittelstand davon lernen?
Digitalstrategie: Mangel an Entschlossenheit
Deutsche Unternehmen sollten diesem Beispiel folgen und in moderne Technologien investieren, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und den Anschluss nicht zu verlieren. Eine konsequente Digitalstrategie ist anzuraten.
Deutsche Unternehmen sind bei der Digitalisierung immer noch zu langsam.
Laut einer Bitkom-Studie(*1) sehen 82 Prozent der Befragten die aktuelle Wirtschaftskrise als Folge der zögerlichen Digitalisierung. 53 Prozent haben jedoch immer noch Schwierigkeiten mit der digitalen Transformation.
Dabei steigern Investitionen in digitale Technologien Effizienz, senken Kosten und ermöglichen fundierte Entscheidungen.
Mittelständler können sich durch Digitalisierung von der Konkurrenz abheben, neue Märkte erschließen und die Kundenzufriedenheit steigern, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Doch es mangelt an Entschlossenheit, Orientierung und Mut zur Umsetzung. Wenn sich das nicht schnell ändert, droht der Wirtschaftsstandort Deutschland den Anschluss zu verlieren – auch 78 Prozent der Bitkom Befragten sehen genau diese Gefahr.
Digitale Technologien sind daher wichtiger Teil einer langfristigen Strategie, um wettbewerbsfähig und zukunftsfähig zu bleiben.
Digitalisierung als Wachstumsmotor – Skandinavien macht es vor
Die deutsche Politik muss gezielt Investitionen in die digitale Transformation fördern, ähnlich wie in skandinavischen Ländern seit den 90er-Jahren.
Skandinavien zeigt, wie Digitalisierung das BIP-Wachstum vorantreibt: Schweden wuchs seit 1995 um 97 Prozent und Finnland um 76 Prozent, während Deutschland nur 30 Prozent erzielte. (*2)
Das Beispiel Schweden verdeutlicht dabei, wie Automatisierung den Mittelstand stärkt. Zahlreiche Produktionsbetriebe haben auf intelligente Automatisierung und KI-basierte Prozesse umgestellt, um Produktionsabläufe effizienter zu gestalten.
Sie setzen beispielsweise KI-gestützte Systeme zur vorausschauenden Wartung ein und minimieren so Ausfallzeiten.
Solche Technologien könnten auch in Deutschland vermehrt zum Einsatz kommen, um Produktionsprozesse zu optimieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Das Beispiel Finnland führt uns vor Augen, wie eine gezielte Förderung der IT-Sicherheitsbranche zu einem stabilen digitalen Umfeld geführt hat.
Mittelständische Unternehmen profitieren von einer sicheren digitalen Infrastruktur und setzen verstärkt auf Cloud-Technologien sowie ausgefeilte Cybersecurity-Strategien, um sich vor Bedrohungen zu schützen.
Deutsche Unternehmen können hiervon lernen, indem sie frühzeitig in digitale Sicherheitsarchitekturen investieren.
Digitalstrategie: Erfolgsfaktoren für den Mittelstand
Mit dem Einsatz von Zukunftstechnologien wächst das Datenvolumen und der Bedarf an leistungsfähiger IT-Infrastruktur.
Besonders KI erfordert hohe Rechenkapazitäten. Immerhin setzen bereits ein Drittel der mittelständischen Unternehmen auf KI-Lösungen – Tendenz steigend.(*3)
Dadurch nimmt das Datenwachstum zu, jährlich um circa 22 Prozent,(*4) das führt zu einer Verdopplung in 3,5 Jahren. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen in moderne IT-Infrastrukturen investieren. Doch wie gelingt diese Transformation und was ist zu beachten?
Unternehmen sollten zunächst klare Digitalisierungsziele definieren. Dabei steht als erstes Ziel in der Regel, die Effizienz zu steigern und Kosten zu senken und später neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Wendet man das McKinsey-3-Horizonte-Modell auf die digitale Transformation an, so beschreibt es diesen Prozess in drei Phasen: 1. Kerngeschäft digitalisieren, 2. neue digitale Modelle schaffen, 3. disruptive Innovationen entwickeln.(*5)
Fünf Schritte sind von Beginn an wichtig:
1. Individuelle Bedarfsanalyse: Unternehmen sollten ihre spezifischen Anforderungen genau untersuchen. Dazu gehört die Analyse der Arbeitsprozesse, der Mitarbeiterstruktur, die Untersuchung der existierenden IT-Systeme und deren Fähigkeiten.
Wichtig ist auch die Analyse von IT-Bedürfnissen und Nutzungsmustern von Anwendungen wie Cloud- und Online-Services. Eine umfassende Netzwerk- und Sicherheitsanalyse hilft, Schwachstellen zu identifizieren und Engpässe frühzeitig zu beheben.
2. Zielsetzung und Strategie: Die Fachbereiche müssen gemeinsam mit der IT-Abteilung klare, messbare Digitalisierungsziele definieren. Dazu zählen der Ausbau der IT-Ressourcen, der Einsatz neuer Technologien und die Kostenoptimierung durch Automatisierung.
Auch Nachhaltigkeitsaspekte wie papierlose Prozesse und höhere IT-Sicherheitsstandards spielen eine Rolle. Es ist von besonderer Wichtigkeit, dass die Unternehmensführung diese Strategie unterstützt und durch einen oder mehrere Sponsoren aus der Geschäftsführung getragen werden.
3. Entwicklung einer Digitalstrategie
Eine durchdachte Strategie bildet das Rückgrat der digitalen Transformation. Sie sollte kurz- und langfristige Ziele abdecken, Ressourcen evaluieren und den Schulungsbedarf der Mitarbeitenden berücksichtigen.
Klare Kommunikation und Change-Management fördern die Akzeptanz neuer Technologien.
4. Implementierung innovativer Technologien
Die Auswahl der richtigen Technologien ist essenziell. Cloud-Computing sorgt für Flexibilität, Automatisierung und KI optimieren Abläufe, und IoT sowie Big Data bieten zusätzliche Möglichkeiten zur Prozessverbesserung.
Cybersecurity bleibt dabei ein zentraler Aspekt – besonders durch den Einsatz von Redundanzkonzepten, die die Ausfallsicherheit erhöhen.
5. Fortlaufende Optimierung
Digitale Transformation ist ein kontinuierlicher Prozess. Unternehmen sollten ihre Strategien regelmäßig evaluieren und anpassen. Kunden- und Mitarbeiterfeedback sowie technologische Updates sind entscheidend, um am Puls der Zeit zu bleiben und Wettbewerbsvorteile zu sichern.
Mut zur Innovation – wer zögert, verliert
Wichtig bei der Umsetzung einer Digitalstrategie ist, dass es einen Verantwortlichen im Unternehmen gibt, der die Digitalisierung bereichsübergreifend durchsteuert.
Mit diesem „Highlander Prinzip“ wird sichergestellt, dass bei der Transformation immer das Gesamtwohl der Organisation im Mittelpunkt steht und nicht nur einzelne Bereiche davon profitieren.
Auch kann externe Beratung helfen, die digitale Transformation erfolgreich umzusetzen und langfristig Innovationen voranzutreiben.
Vor allem Manager mit Personalverantwortung sollten darauf vorbereitet werden, dass Effizienzsteigerungen insbesondere personalintensive Prozesse betreffen – und sie folglich mit gegebenenfalls kleineren oder anderen Teams arbeiten werden.
Daher ist ein neues Mindset erforderlich, das anerkennt, wie die Digitalisierung Arbeitsweisen und den Personalbedarf verändert.
Bei der digitalen Transformation müssen Unternehmen berücksichtigen, dass sich Anfangsinvestitionen je nach Art erst langfristig auszahlen. Dennoch schafft der erste Schritt die Basis für neue digitale Geschäftsmodelle und disruptive Produkte.
Wer diesen Schritt nicht geht, wird langfristig den Anschluss im Wettbewerb verlieren.
Beispiele wie Nokia und Kodak zeigen, wie Unternehmen durch zögerliche Digitalisierung den Anschluss verpassen können. Nokia hielt zu lange an klassischen Handys fest, während Apple und Android den Markt dominierten, und verkaufte 2014 seine Handysparte an Microsoft.
Kodak, obwohl Erfinder der digitalen Kamera, zögerte den Wandel hinaus und verlor 2012 seine Marktführerschaft, was in der Insolvenz endete.(*6)
Deutsche Unternehmen müssen daher jetzt handeln, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Denn nur, wer zeitnah auf KI, Cloud-Computing und IT-Sicherheit setzt und dabei auf ein starkes und sicheres Netz zurückgreifen kann, wird sich langfristig im globalen Wettbewerb behaupten und Innovationen vorantreiben können.
1Bitkom Studie von Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbandes Bitkom unter mehr als 603 Unternehmen ab 20 Beschäftigten, Zeitraum KW 2 bis KW 7, 2025.
2Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE)
3Deutsche Mittelstands-Bund (DMB) in Zusammenarbeit mit dem Software-Anbieter Salesforce: KI-Index Mittelstand-Umfrage unter mehr als 500 Firmenverantwortlichen, November bis Dezember 2024
4Statista Volumen der jährlich generierten/replizierten digitalen Datenmenge weltweit von 2010 bis 2022 und Prognose bis 2027
5McKinsey-3-Horizonte-Modell, McKinsey & Company, 1997
6Clayton Christensens „The Innovator’s Dilemma“